Die oft geäußerte Annahme, dass die Vertretung eines Kantons im Bundesrat das Interesse der kantonalen Bevölkerung an der Landespolitik steigere, ist unbegründet. Eine Studie aus Lausanne fand nur minimale Effekte oder sogar das Gegenteil.
Das Thema ist wieder aktuell, denn die Neubesetzung der Ämter von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga steht am kommenden Mittwoch an, teilte der Schweizerische Nationalfonds (SNF) am Freitag mit.
Der Politologe der Universität Lausanne, Sean Müller, hat die Daten der 670 Volksbefragungen in der Schweiz zwischen 1848 und Februar 2022 erhoben und nach Kantonen ausgewertet. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Tatsache, dass ein Bundesrat aus einem bestimmten Kanton kommt, wenig Einfluss auf das dortige Wahlverhalten hat.
Sean Müller hat einige Effekte gesehen, aber ziemlich schwach. So erhöht in der Westschweiz ein Bundesratsmitglied seines Kantons die Wahlbeteiligung nur um wenige Prozentpunkte. In der Deutschschweiz ist dies nicht der Fall.
Und im Tessin kann ein Sitz im Bundesrat sogar mit einem geringeren Einsatz einhergehen: Während der Amtszeit von Flavio Cotti von 1987 bis 1999 lag der Anteil des Tessiner Souveräns bei durchschnittlich 39 Prozent, stieg aber in den Jahren der Abwesenheit auf 42 Prozent das folgte, bis Ignazio Cassis im November 2017 übernahm.
solide Ergebnisse
Der Politikwissenschaftler hält seine Ergebnisse für sehr robust, da sie nicht auf einer Stichprobe, sondern auf einem vollständigen Satz historischer Daten basieren. Sean Müller hat auch untersucht, ob die Bürger eher bereit sind, den Empfehlungen des Bundesrates zu folgen, wenn ihr Kanton dort vertreten ist. Auch hier fand er keinen signifikanten Effekt.
So wurde im Juni 2021 das CO2-Gesetz von Simonetta Sommaruga in ihrem Kanton Bern wie in der restlichen Schweiz mit 48,4 % bzw. 48,5 % knapp abgelehnt.
Und im Februar 2017 schnitt Ueli Maurer mit seiner dritten Unternehmenssteuerreform in seinem Kanton schlechter ab (Zürich: 37,5 % ja; Schweiz: 40,9 % ja). Diese Studie ist in der Zeitschrift Nationalities Papers erschienen.
/ATS
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