Am Mittwoch hat die Evakuierung der Stadt Brienz in Graubünden begonnen. Seine 85 Einwohner müssen in der Nacht zum Freitag um 18 Uhr ihre Häuser verlassen, weil die Stadt von einem Einsturz bedroht ist. Die Emotionen sind groß.
„Ich wollte noch ein letztes Mal hochgehen und mich von meinem Elternhaus verabschieden. Wir wissen nicht, ob unser Brienz in zwei Wochen noch da ist“, sagte eine Frau, die in der Bergstadt Keystone-ATS aufgewachsen ist, bei der Veranstaltung. Sie erklärte unter Tränen, dass ihr diese Abschiede schwergefallen seien, da sie lange geglaubt habe, dass diese Generalevakuierung nicht nötig sei.
Immer mehr Felsabfahrten
Oberhalb des Dorfes liegen unzählige gartenschuppengroße Felsbrocken auf einer Wiese verstreut. Alle zehn Minuten rollen Steine und kleine Felsbrocken den Berg hinunter.
Dieses Phänomen habe sich in den letzten Wochen deutlich verstärkt, sagt Christian Gartmenn, Kommunikationschef der Gemeinde Albula (GR), zu der Brienz gehört. Das aktuell düstere Wetter und die milden Temperaturen heizen es noch zusätzlich an. Die Bewohner der Stadt werden nach Angaben der Behörden voraussichtlich mehrere Wochen oder sogar Monate lang nicht in ihre Häuser zurückkehren können.
Wahrscheinlichstes Szenario mit begrenztem Schaden
Insgesamt zwei Millionen Kubikmeter Gestein drohen von nächster Woche bis Anfang Juni einzustürzen. Das Ausmaß möglicher Schäden hängt vom genauen Szenario der nächsten Naturkatastrophe ab.
Die wahrscheinlichste Hypothese sieht wiederholte Stürze von einigen tausend bis mehreren hunderttausend Kubikmetern Gestein vor. Es wäre am wenigsten gefährlich für die Menschen.
Weniger wahrscheinlich: der allmähliche und flüssige Abstieg von Trümmern, die wahrscheinlich die Stadt erreichen und beschädigen. Die unwahrscheinlichste Hypothese besteht in einem massiven, schnellen und weitreichenden Erdrutsch von mehr als 500.000 Kubikmetern Gestein mit verheerenden Folgen.
Sofortiges Alarmsystem
Vier Überwachungssysteme liefern kontinuierlich Daten zu einsturzgefährdeten Felswänden. Sollte die Katastrophe früher als erwartet eintreten, werde eine Sirene die Anwohner innerhalb von Minuten zur Flucht auffordern, sagte Stefan Schneider, Geologe und Leiter des Frühwarndienstes, gegenüber den Medien.
Der Grad der Gefährdung wird derzeit durch die Farbe Orange symbolisiert. Drei bis zehn Tage vor einem erwarteten Erdrutsch werden die Mitarbeiter der Stadt es auf Rot schalten. Dann wird die Fahrt nach Brienz verboten und das Vieh wiederum evakuiert. Kurz vor einem Erdrutsch gehen die Behörden in die blaue Phase, was die Evakuierung von zwei Häusern im Tal, in Surava, sowie die Sperrung mehrerer Strassen und der Bahnlinie von Albula bedeutet.
Aus Angst vor kommenden Naturereignissen ist auch die Stadt Brienz wegen ihrer fast permanenten Erdrutsche seit Jahren in Sorge. Die beiden Phänomene sind miteinander verbunden. Der Ort „bewegt“ sich immer mehr in Richtung Tal, mit einer Geschwindigkeit von mehreren Metern pro Jahr.
/ATS

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