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Die Schweiz wird keine Afghanen willkommen heißen – RSI Schweizer Radio und Fernsehen

by Juliane Meier

Der Bund wird trotz der schweren Instabilität in Afghanistan keine Gruppen flüchtender afghanischer Bürger willkommen heißen. Sie wird jedoch einzelne Aufnahmeanträge prüfen und ihr Engagement bekräftigen, lokale Mitarbeiter und noch im Land gestrandete Schweizer Bürger in die Schweiz zu bringen. Tatsächlich hat der Bundesrat beschlossen, den Antrag mehrerer Organisationen, die die sofortige und bürokratische Aufnahme von Tausenden flüchtender afghanischer Bürger in den Bund beantragen, nicht zu genehmigen. „Die Situation ist sehr volatil, sie ändert sich ständig, mit einer Geschwindigkeit, die es noch nie zuvor gegeben hat. Es ist derzeit schwer abzuschätzen, welche Folgen dies für die Bevölkerung, die Geopolitik und die Interessen der Schweiz haben wird“, betonte Ignazio Cassis gegenüber einer Presse Konferenz.

Asylanträge afghanischer Staatsangehöriger in der Schweiz werden vom Staatssekretariat für Migration (SEM) im ordentlichen Verfahren geprüft. Gefährdete Personen erhalten jedoch weiterhin Asyl oder vorübergehende Aufnahme. Einerseits, so das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen, erlauben uns die prekären Informationen immer noch nicht, einen möglichen Umsiedlungsbedarf zu erkennen. Andererseits macht die chaotische Situation der Auswanderungen aus Afghanistan eine solche Intervention auch operativ unmöglich, obwohl Karin Keller-Sutter „Verständnis für die eingegangenen Anfragen“ bekundet hat. Von dem Moment an, in dem UNHCR einen Bedarf definiert habe, könne sich auch die Position der Schweiz ändern, sagte er.

Das schweizerische Recht, so erinnerte die Regierung, sehe die Möglichkeit vor, ein humanitäres Visum durch einen persönlichen Besuch bei einer schweizerischen Vertretung im Ausland zu beantragen, jedoch müsse eine konkrete, unmittelbare und ernsthafte Bedrohung nachgewiesen werden. Gemäss aktueller Praxis ist es auch notwendig, enge und aktuelle Beziehungen zur Schweiz zu pflegen; für die engsten Familienangehörigen besteht dagegen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit des Nachzugs.

TG 20 vom Montag 16.08.2021

Humanitäres Visum für lokale Kollaborateure

Die Schweiz sucht jedoch intensiv nach Möglichkeiten, das lokale Personal des Koordinationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) Kabul zu entsenden. Der Bundesrat hat seine Absicht bekräftigt, rund vierzig lokale Kollaborateure mit ihren Familien im Bund aufzunehmen, für insgesamt rund 230 Personen, die ein humanitäres Visum erhalten.

Tatsächlich könnten Mitarbeiter westlicher Staaten und Organisationen nach der Machtübernahme der Taliban in Gefahr sein, argumentierte die Exekutive und betonte, dass es Ihre Pflicht als Arbeitgeber sei, den Mitarbeitern zu helfen und sie zu schützen. „Sein Leben ist bedroht“, betonte Karin Keller-Sutter vor den Medien.

Die 230 afghanischen Staatsbürger werden in die vom Bundesrat für 2021 genehmigte Umsiedlungsquote von 800 Personen gezählt, teilte die Regierung mit. Schon bei ihrer Ankunft in der Schweiz wird ihnen Asyl gewährt: Als DEZA-Mitarbeitende haben sie ihre Identität bereits nachgewiesen und die Sicherheitskontrollen bestanden und damit «das ordentliche Verfahren verlassen».

Die drei Schweizer Mitarbeiter sind zurück

Unterdessen arbeitet die Schweiz auch weiterhin daran, Schweizer Bürger, die immer noch in Afghanistan gestrandet sind, aus dem Land zu entfernen. Cassis bestätigte bereits am Montag, dass die sechs Schweizer Mitglieder der Schweizer Vertretung in Kabul das Land verlassen haben. Drei waren bereits am vergangenen Freitag abgeflogen, während die anderen drei, die am vergangenen Sonntag Kabul verließen und zunächst mit einem US-Flugzeug in Doha, Katar, landeten, in der Nacht auf Dienstag in der Schweiz ankamen.

Die Evakuierungsaufgabe, erklärte Cassis, werde dadurch erschwert, dass in Kabul, wo der Flughafen von US-Soldaten kontrolliert werde, derzeit die Landung von Zivilflugzeugen nicht erlaubt sei. Eine Situation, die sich jedoch noch ändern könnte. Der Überlandweg sei „derzeit nicht praktikabel“, erklärte Hans-Peter Lenz, Leiter Krisenmanagement beim EDA. Zur Teilnahme an der Operation wurde eine Armeeabteilung entsandt: Nach einem Zwischenstopp in Taschkent erreichte sie Kabul, erklärte Cassis.

Seit 2002 verfügt Bern über ein Kooperationsbüro zur Umsetzung von DEZA-Programmen in Kabul. Stattdessen werden die politischen Beziehungen zu Afghanistan über die Schweizer Botschaft in Islamabad, Pakistan, gepflegt. Letzterer steht nun mit den dort verbliebenen Schweizerinnen und Schweizern in Kontakt: Bisher haben rund 30 von ihnen den Wunsch geäussert, das Land zu verlassen. Darunter seien auch Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und anderer Hilfsorganisationen, sagte Cassis.

Nach der Machtübernahme der Taliban ist die Lage in Afghanistan unsicherer denn je. Am vergangenen Sonntag hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten das Koordinationsbüro der DEZA in Kabul vorübergehend geschlossen. Momentan sei nicht klar, wann und wie die DEZA ihre Arbeit in Kabul wieder aufnehmen kann, obwohl die Absicht, so Cassis, die Schließung nur vorübergehend sei und daher „das Engagement so schnell wie möglich fortsetzen“ solle. Aufgrund der Lage vor Ort hatte das SEM seinerseits bereits am 11. August beschlossen, den Vollzug der definitiven Ausweisungen bis auf Weiteres auszusetzen.

TG 12:30 am Mittwoch 18.08.2021

TG 12:30 am Mittwoch 18.08.2021

ATS / OCcard / pon


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