Mehr als 270 Patienten sterben jedes Jahr in Schweizer Spitälern, weil sie von Ärzten ohne Routine behandelt wurden. Zu diesem Schluss kommt eine von der Groupe Mutuel in Auftrag gegebene Studie.
Bei chirurgischen Eingriffen zahlt sich Übung aus. Ärzte und ihre Teams erzielen vor allem bei komplexen Operationen bessere Ergebnisse, wenn sie die Eingriffe routinemässig durchführen, teilte die Groupe Mutuel am Freitag mit.
Dieser beauftragte den Versorgungsforschungsberater Daniel Zahnd, für zehn Eingriffe die Mindestanzahl festzulegen, die durchgeführt werden muss, um eine mindestens durchschnittliche Behandlungsqualität auf nationaler Ebene zu erreichen. Die so ermittelten Grenzwerte liegen deutlich über den heutigen Anforderungen der Kantone.
Dr. Daniel Zahnd untersuchte den Zusammenhang zwischen ärztlicher Routinepraxis und dem Sterberisiko der Patienten über 25 Krankheitsgruppen hinweg. Die Studie fand für zehn medizinische Eingriffe einen signifikanten Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Patientensterblichkeit.
Vorwiegend regionale Betriebe
Die in dieser Studie erstmals ermittelten Minimum Case Numbers (MCNs) basieren auf Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) für die Jahre 2017 bis 2019 mit 258 Datensätzen aus Akutspitälern.
Ein Vergleich mit den Mindestfallzahlen der kantonalen Spitalplanungs-Leistungsgruppen (GPPH) zeigt grosse Unterschiede. Nur wenige Krankenhäuser, insbesondere unter den regionalen und kreisfreien Einrichtungen, erreichen die in dieser Studie errechneten Mindestfallzahlen.
«Das Problem ist grösser als bisher angenommen», sagt Daniel Zahnd. In der Vorgängerstudie 2020 auf Basis der von der GPPH im Jahr 2018 geforderten Mindestfallzahlen wurde der Anteil der Krankenhäuser, die diese noch nicht erreicht hatten, auf knapp über 46 % geschätzt.
Blasenentfernung
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass bei Einhaltung der ermittelten Mindestfallzahlen im Rahmen der zehn analysierten medizinischen Eingriffe mehr als 270 Todesfälle pro Jahr vermieden werden könnten.
Nach Interventionskategorie ist die Exstirpation der Blase diejenige, bei der wir den größten Unterschied zwischen der wünschenswerten Zahl und der heute in Krankenhäusern angewandten Zahl beobachtet haben. Von 43 Krankenhäusern erreichen nur drei die in der Studie angegebene Mindestzahl von 26 Operationen pro Jahr. GPPHs erfordern nur zehn Operationen pro Jahr.
Beim Hüft- und Kniegelenkersatz benötigt die GPPH mindestens 50 Eingriffe pro Jahr. Erfahrungswerte, die die Studie errechnet hat, liegen bei mindestens 303 pro Jahr für den Hüftgelenkersatz und 225 für den Kniegelenkersatz.
„Angesichts der gefundenen Korrelationen und der großen Differenz zu den in der Krankenhausplanung vorgeschriebenen Mindestvorgaben wäre es wünschenswert, Strukturreformen im Krankenhausumfeld zu beschleunigen“, so das Fazit des Studienautors.
Kriteriengrenzen
„Die NMC haben ihre Daseinsberechtigung, aber sie haben ihre Grenzen“, antworteten H+ Swiss Spitäler auf Anfrage von Keystone-ATS. Die koordinierende Organisation kann die Zahl von 270 Patienten nicht kommentieren, begrüßt aber diesen wissenschaftlichen Beitrag zum Thema, da die Literatur zum Thema bisher „ziemlich spärlich“ sei.
Neben den Mindestfallzahlen seien auch andere Aspekte relevant, etwa die Teilnahme an Registern, die Einhaltung einheitlicher Richtlinien und Normen, die Erfahrung des Gesundheitsteams und die Organisationsstrukturen des Krankenhauses, ergänzt H+. . NMC sollte kein „einzelnes, isoliertes Qualitätskriterium“ sein.
„Die Umsetzung empirisch ermittelter Schwellenwerte ist nicht in allen Fällen möglich oder sinnvoll“, so H+ weiter. Tatsächlich „würde die Mindestzahl von Fällen nur von einer Handvoll Krankenhäusern erreicht und würde eine große Umwälzung der Patientenströme bedeuten.“
/ATS
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