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Plastik in der Schweiz bis 2040 verbieten, geht das?

by Juliane Meier

Ein Vertrag zum Verbot von Plastik? Doch all das könnte sich bald ändern. Nationen auf der ganzen Welt verhandeln über ein verbindliches Abkommen, das die Plastikverschmutzung bis 2040 verbieten könnte. Nach einem ersten Entwurf in Nairobi im März 2022 findet die nächste Verhandlungssitzung Ende Mai in Paris statt. Die Schweiz ist Teil einer Koalition von mehr als 50 Ländern der sich für ein „ehrgeiziges“ Abkommen einsetzt.

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Aber konkret, wie? Ist ein solches Verbot in einem Land wie der Schweiz, mitten in den Flitterwochen mit Plastik, wirklich möglich? Welche Hebel müssen angesetzt werden, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen?

Ewoud Lauwerier, Experte für Plastikmanagement bei der NGO Oceancare, erinnert daran, dass das Schweizer Recht bereits die Schlüssel zur Umsetzung eines solchen Verbots enthält. Tatsächlich ist die Umweltschutzgesetz (UVG, Artikel 30a) erlaubt es dem Bundesrat, Einweg- und kurzlebige Produkte per Verordnung zu verbieten, «wenn der Nutzen die Umweltbelastung nicht rechtfertigt».

„Die Schweizer Regierung muss einfach das anwenden, was bereits in ihrem Gesetz steht“, betont der Forscher.

Die Politik der kleinen Schritte. Aber das ganze Problem liegt in der Interpretation von „Nutzen“ und „Schaden für die Umwelt“. Und im Moment sind die Politiker ziemlich vorsichtig mit der Änderung. Tatsächlich wurden mehrere diesbezügliche Initiativen von Bundesrat und Parlament abgelehnt, insbesondere eine Antrag für ein Verbot von Einweggeschirr in Take-Away-Restaurants. Aus gutem Grund: Ein Verbot würde eine „Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit“ bedeuten.

Soll das Gesetz verschärft werden? Die Reaktion des BAFU, kontaktiert von Heidi.news:

„Vor dem Erlass von Ausführungsbestimmungen ist der Bund stets (…) verpflichtet, die von der Wirtschaft freiwillig getroffenen Massnahmen zu prüfen. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit hat der Bundesrat das Verbot von Einweg-Plastikprodukten für die Gastronomie zum Mitnehmen bisher ausgesetzt.

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Ziehen Sie die Maschen des Netzes fest. Nach dem OFEV, dem System der Entfernung der déchets du pays, mit der Behandlung der verwendeten Eaux, der Verwaltung der déchets urbains et les services communes, «contribue de façon substantielle à éviter que des matières plastiques soient rejetées dans l’environment» Kunststoffe rutschen jedoch weiterhin durch das Raster, stimmt Robin Poëll, Sprecher des BAFU, zu:

„Allerdings ermöglichen es diese Sanierungsmaßnahmen und Einbehaltungsmechanismen nicht, alle Emissionen abzufangen. Altlasten (Müll) oder Reifenabrieb beispielsweise gelangen als diffuse Einträge in Gewässer und Böden.

Tatsächlich werden in der Schweiz jedes Jahr rund 14.000 Tonnen Kunststoffe in die Umwelt freigesetzt, die meisten davon stammen aus:

  • Abfall aus Reifenabrieb, der sich während der Fahrt abnutzt (8.900 Tonnen),

  • Verlassener Abfall oder „Littering“ (2.700 Tonnen),

  • Oder unter anderem auch Kunststoffbaustoffe (900 Tonnen).

«Die bisherigen Massnahmen reichen nicht aus, um den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt so zu reduzieren, dass Menschen, Tiere und Pflanzen nachhaltig geschützt werden», heisst es schwarz auf weiss in einem Bericht des BAFU.

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Ein Recycling, das nur einen Namen hat. 14.000 Tonnen verloren, das sind weniger als 1,5 % der Millionen Tonnen Plastik, die die Schweizer jährlich verbrauchen. Ist doch nicht schlimm? Das Problem, erinnert sich Ewoud Lauwerier, ist, dass der direkt in die Umwelt freigesetzte Kunststoff nur die Spitze des Eisbergs ist:

„Entgegen aller Behauptungen gehört die Schweiz beim Kunststoffrecycling zu den Schlusslichtern. Es wird geschätzt, dass 85 bis 90 % der Kunststoffabfälle im Land zur Energierückgewinnung verbrannt werden.

Recycling ist weitgehend über PET, das nicht endlos recycelt werden kanner präzisiert, bevor er hinzufügt: „Wenn wir wissen, dass 40 % des verbrauchten Plastiks Einwegartikel sind, geht es darum, das Öl direkt zu verbrennen.“

Plastik, eine Klimaplage? Weltweit fließen zwischen 4 und 9 % des Öls und Gases in die Kunststoffproduktion, betont Ewoud Lauwerier: „Unsere Abhängigkeit von Plastik zu lösen bedeutet auch, unsere Treibhausgasemissionen zu reduzieren.“

Gemäss einem BAFU-Bericht sind die CO2-Emissionen des Plastikkonsums in der Schweiz in den letzten 20 Jahren um 45 % gestiegen, was rund 5 % des gesamten Schweizer Fussabdrucks entspricht. Tatsächlich wird ein Großteil des in der Schweiz verbrauchten Plastiks in Asien produziert, insbesondere in China, dessen Strom aus Kohle gewonnen wird.

Recycling wird nicht ausreichen. Um die Plastikverschmutzung zu beseitigen, muss das Problem an seiner Quelle angegangen werden. «Wir müssen die Plastikproduktion reduzieren», sagt das BAFU. Das Amt gibt eine Reihe von Empfehlungen heraus, wie z. B. die Vermeidung des Verbrauchs von Produkten mit kurzer Nutzungsdauer, die Erhöhung ihrer Verwendung, die Stärkung der Recyclinginfrastrukturen und sogar die Bevorzugung biologisch abbaubarer Verpackungsmaterialien.

Dieselbe Geschichte auf der Seite von Ewoud Lauwerier:

„Wichtig wären klare Schritte auf Bundesebene, um die Plastikproduktion einzuschränken und unnötige Einwegplastiken zu verbieten.“

Nehmen Sie als Beispiele Plastikmikrokügelchen in Kosmetika, Lebensmittelverpackungen, Tüten oder sogar Mikroplastik in Pestiziden und Farben. „Diese Nutzungen sind relativ neu und existierten nicht vor den 1960er Jahren. Sie sind also entbehrlich, weil es Alternativen gibt.“

Der Forscher erinnert auch daran, dass sich der Konsum von Kleidung, oft aus Kunstfasern und damit Plastik, in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt hat:

„Mit jeder Wäsche werden die Mikrofasern im Abwasser vermehrt. Trotz Filter und Wasseraufbereitung findet sich Mikroplastik in der Umwelt.“

Das BAFU schätzt, dass jährlich fast 20 Tonnen Mikroplastik aus der Schweiz über Flüsse in die Meere gelangen.

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Auf dem Weg zu einem gesellschaftlichen Wandel. Aber das Verbot der Plastikverschmutzung könnte auch weitere strukturelle Veränderungen erfordern, stellt Ewoud Lauwerier fest:

„Der Reifenabrieb zum Beispiel hängt mit dem Gewicht von Autos zusammen. Aktuell geht der Trend jedoch dahin, immer größere und schwerere Fahrzeuge zu produzieren. Dies erscheint widersprüchlich, wenn man weiß, dass die grosse Mehrheit der von den Schweizern zurückgelegten Distanzen weniger als 5 Kilometer beträgt.

Plastik, gehört es bald der Vergangenheit an? Die zweite Verhandlungsrunde für das internationale Abkommen findet vom 29. Mai bis 2. Juni 2023 in Paris statt.

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