In der Romandie geht es dem Kulturjournalismus etwas besser
Die Ergebnisse einer Studie zeigen, dass der Kulturjournalismus in den Medien der Westschweiz im Vergleich zu anderen Themen einen prominenten Platz einnimmt.
Der Kulturjournalismus macht laut der von ch-intercultur in Auftrag gegebenen Studie fast 10% aller Artikel in den Schweizer Medien aus.
Schlussstein
Der Kulturjournalismus nimmt in den französischsprachigen Medien einen wichtigeren Platz ein als in den anderen Sprachregionen. Wenn es ihr im Moment besser geht als den übrigen journalistischen Bereichen, droht ihr auch das Verschwinden und die Neugruppierung von Titeln: Buch- oder Filmkritik zahlt sich schon mehr oder weniger aus.
Der Kulturjournalismus macht knapp 10 % aller Artikel in den Schweizer Medien aus, ein stabiler Anteil seit 2015, lesen wir am Montag in einer von ch-intercultur in Auftrag gegebenen Studie. Von 13% in der Romandie sinkt sie auf 9% in der Deutschschweiz und 8% im Tessin.
Höher ist der Anteil an Kulturartikeln in der Wochenzeitung (WOZ), wo sich jeder vierte Artikel (26 %) kulturellen Themen widmet. Auch die Online-Ausgabe von Le Temps legt großen Wert auf Kultur. Mit 20 % ist sie unter den Zeitungen diejenige, die kulturellen Informationen am meisten Platz einräumt.
Diese französischsprachige „Qualitäts“-Zeitung ist laut den Zürcher Forschern auch einer der seltenen Fälle, in denen die Website mehr Kulturartikel enthält als die Papierausgabe (15%). Der dritte Titel mit großer Beteiligung des Kulturjournalismus ist die Weltwoche (16%). Als nächstes in der Westschweiz 24 Stunden (15%), Le Matin Dimanche (13%) oder Le Nouvelliste (12%).
Diese Analyse basiert auf Daten der „Media Quality Annals 2020“ (fög, 2020) der Universität Zürich. Auf Basis der erhobenen Daten ermittelt es zwischen 2015 und 2019 die Bedeutung und Qualität der Kulturberichterstattung in 60 Medien.
Zunehmende Standardisierung
Unter Qualitätsgesichtspunkten ist der Rückgang der Diversität ein zentrales Problem des Schweizer Journalismus: Diversität ist in der Tat ein elementares Element für das föderalistische System in der Schweiz, betonen die Forschenden.
Kulturjournalismus ist im Vergleich zu anderen Fachgebieten stärker von einer eigenen redaktionellen Tätigkeit geprägt. Allerdings sei die Schweizer Medienlandschaft von einer zunehmenden inhaltlichen Standardisierung geprägt, stellt die Studie fest.
In den Medien der Tamedia-Gruppe (Basler Zeitung, Berner Zeitung, Der Bund, Tages-Anzeiger) stiegen die geteilten Artikel von 11% auf 25%. Bei den von der CH Media-Gruppe kontrollierten Titeln (Aargauer Zeitung, Luzerner Zeitung und St. Galler Tagblatt) stieg dieser Anteil im gleichen Zeitraum von 6% auf 17%.
Das Urteil über diese Umgruppierungen ist ambivalent. Aus Sicht der Leser kann das Hinzufügen von Ressourcen zu qualitativ hochwertigen Produkten führen. Allerdings weisen die Forscher neben einer zunehmenden Standardisierung der Inhalte und der Verbreitung gleicher Artikel in verschiedenen Medien auch auf eine Auslöschung der Kulturkritik hin. Ihre Zahl hat sich fast halbiert: 2017 waren es 114, zwei Jahre später 61.
Bald ein Luxusprodukt?
„Die Ergebnisse überraschen uns überhaupt nicht – wir erleben diesen Rückgang seit Jahren“, sagte Alex Meszmer, Präsident des Dachverbands SwissCulture, gegenüber Keystone-ATS. „Wie soll ein Künstler seine Förderfähigkeit nachweisen, wenn seine Arbeit nirgendwo bewertet und von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird?“, fragt er.
Kritiken von Konzerten, Theateraufführungen, Opernproduktionen oder Literaturkritiken, so sagt er, „sind wie ein Zeugnis, sie zeigen den Grad der Professionalität des künstlerischen Schaffens.“
„Kritischer Kulturjournalismus droht zu einem Luxusgut zu werden, das sich nur gut ausgebildete Menschen mit erheblichen finanziellen Mitteln leisten können“, heißt es in dem Fazit der Studie.
Des Weiteren könnten Fehlinformationen im Kulturbereich zu Debatten über Kultursubventionen führen: Die Fronten dürften sich verhärten, stellen die Forscher fest.
Die falsche Hoffnung des Digitalen
Darüber hinaus seien unabhängige Online-Plattformen nur auf den ersten Blick eine echte Alternative zum Kulturjournalismus in professionellen Medien. Bestehende Plattformen sind oft Nischenangebote mit begrenzter Penetrationsrate: Sie erreichen in der Regel nur ein bereits interessiertes Publikum und sind aufgrund der geringen Reichweite auch finanziell bedroht, da sie nicht mit erheblichen Einnahmen rechnen können .
Die Entwicklung des Kulturjournalismus hat sich auch auf ch-intercultur (ehemals SFD, Schweizer Feuilleton-Dienst), ein Kulturpressedienst bis 2020, ausgewirkt. ch-intercultur hat Arbeitsgruppen gebildet, die an einem Projekt einer Kulturpresseagentur arbeiten.
Sie müsse die Besonderheiten der verschiedenen Sprachregionen berücksichtigen und den Austausch über deren Grenzen hinaus stärken, erklärte Ulrich Gut, Präsident von ch-intercultur, bei Keystone-ATS.
Ein Symposium zum Thema „Kulturjournalismus in der Krise: Wie erreicht Kultur die Menschen in Zukunft?“ „Sie findet am 26. August in Solothurn statt. Sie wird partnerschaftlich von Swissfoundations, der koordinierenden Organisation der Schweizer Geberstiftungen und dem Bundesamt für Kultur organisiert.
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